Augsburg,
3.10.2010 (
pca
). Autismus ist heute noch zu wenig
bekannt. Das sagte Dr. Michel
Noterdaeme
. Sie ist
Privatdozentin an der Augsburger Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie des
Josefinums
, das zur Katholischen Jugendfürsorge gehört, und
forscht schon viele Jahre über den Autismus. Der Augsburger
Diözesan-Caritasverband sowie die Lebenshilfe als Träger des Kompetenzzentrums
Autismus Schwaben Nord bzw. Süd hatten deshalb gemeinsam zu ihrem ersten
Fachtag Autismus in Schwaben nach Augsburg eingeladen. Über 300 Psychologen,
Ärzte, Lehrer, Pädagogen, aber auch Angehörige nutzten das Angebot. Es galt
"Gemeinsames zu bedenken und Neues erfahren zu können", wie es
Diözesan-Caritasdirektor Prälat Peter C. Manz und Alwin
Hönicke
von der Lebenshilfe zum Ausdruck brachten.
Es sei
nicht nur zu wenig bekannt, was Autismus wirklich und wie breit das Spektrum
ist. "Es gibt
noch viele
Missverständnisse", sagte
Noterdaeme
. Es werde
auch vieles als Autismus abgestempelt, was nicht Autismus ist, oder er
werde
falsch einsortiert. Je nach Art
und Ausprägung des Autismus müsse man warten, bis man ihn überhaupt
diagnostizieren könne. Bei den
Kanner-Autisten
, die
unter einer Intelligenzminderung und einem gestörten Kommunikations- und
sozialen Interaktionsverhalten leiden, bestünden z.B. erst ab dem Lebensalter
von 24 Monaten erste realistische Möglichkeiten zur Diagnose. "Erste
Ergebnisse liegen dann aber erst im dritten und vierten Lebensjahr vor",
so
Noterdaeme
.
Bei den
Asperger-Autisten, die keine Intelligenzminderung aufweisen, aber Störungen im
Kommunikations- und
sozialen
Interaktionsverhalten, lasse sich der Autismus sehr häufig erst ab dem
Grundschulalter nachweisen. Weil aber die Individualität der Autisten "so
stark ausgeprägt" sei, "gibt es nicht das eine Verfahren oder die
eine Therapie, also auch kein Pauschalrezept". Aber es gebe viele Methoden,
die dazu beitragen können, das Kommunikationsverhalten zu verbessern und damit
auch "automatisch" das Problemverhalten zu vermindern. Den Eltern
empfahl sie regelmäßig mit Beratern zu sprechen, "und nicht nur, wenn
Probleme auftreten". Denn nach ihrer Erfahrung sei es eben die
Regelmäßigkeit des Gesprächs mit Fachleuten, die die Entwicklung des Kindes
besser fördern hilft.
Autisten
haben häufig Bewegungsstörungen. "Doch leider besteht im pädagogischen
Alltag hier ein begriffliches Chaos", beklagte Dr. Christian Schanze,
Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und Ärztlicher Direktor des
Zweckverbandes Krankenhaus St.
Camillus
in
Ursberg
. Schanze berichtete von einem Mann, der als
paranoid psychotisch diagnostiziert wurde, aber ein Autist war.
Ein Mitarbeiter habe sich durch einen
Autisten provoziert gefühlt, weil dieser ihn immer zur Begrüßung in das Ohr
gezwickt gehabe. "Das war aber nur ein Zeichen dieses Autisten dafür, dass
der Mitarbeiter für den Autisten in Ordnung sei, weshalb er mit ihm den Tag
verbringen könne. Wirkliche Hilfe setze deshalb eine
"gewissenhafte verstehende
Diagnostik" voraus.
Schanze
erläuterte die Unterschiede von "Tics", "Stereotypien",
"Ritualen" und "Zwängen" bzw. zwanghaften Handlungen.
"Tics" und "Zwänge" würden von Autisten auch abhängig
davon, wie stark sie ausgeprägt sind, als quälend empfunden. Sie könne man
pharmakologisch und psychologisch behandeln. Stereotypien und Rituale seien
hingegen als Barometer für das Wohlbefinden eines Autisten zu sehen.
"Stereotypien" würden von Autisten als positiv empfunden und würden
zur Beruhigung von ihnen selbst verstärkt, "um sich gegen die Welt
abzuschotten". Sie seien keine formale Denkstörung und hätten deshalb
keine Aussagekraft über die Intelligenz des Autisten. Rituale hingegen, die bei
Autisten sich z.B. durch Rede und bzw. oder Gestik und Mimik zeigen, seien
"bestimmte komplexe Handlungsabläufe, die immer wieder in der selben
Reihenfolge und in der selben Art und Weise ausgeführt werden". Autisten
bräuchten diese Rituale zur "Überwindung von inneren Blockaden". Man
sollte sie deshalb nicht unterbrechen. Wenn sich die Wiederholung aber
verstärke und die Rituale in ihrer Zweckgerichtetheit versagen, sei dies kein
Hinweis auf eine Verschlimmerung, sondern darauf, dass der Stress durch weitere
Einflussfaktoren zu groß ist.
Wie
Autisten im Schulalltag geholfen werden kann, erläuterten die Vertreterinnen
des Mobilen Sonderpädagogischen Dienstes (MSD) in Schwaben. Sie verwiesen auf
ihr umfangreiches Informationsangebot, ihre Beratung von Lehrern von
Schulklassen, in denen autistische Kinder sind oder auf den Nachteileausgleich,
der die besonderen Lernbedingungen und auch Impulsschwächen autistischer Kinder
berücksichtigt. Die Schulbegleitung liegt dem MSD besonders am Herzen. "Die
Schulbegleitung eröffnet autistischen Kindern erst die Möglichkeit einer
angemessenen Bildung", sagte Margareta
Bayrhof
vom MSD. Für die Zeit nach der Schule hilft schließlich das
"Integrationszentrum mit Autismus - Maut" in München bei der
beruflichen Integration.
Kontakt
und Information:
Kompetenzzentrum
Autismus Schwaben-Nord
Träger:
Caritasverband für die Diözese Augsburg e.V.
Auf dem
Kreuz 41, 86152 Augsburg.
Tel.
0821 - 3156 454
E-Mail:
autismus@caritas-augsburg.de
Autismus
Zentrum Schwaben gGmbH
Träger:
Lebenshilfe für behinderte Menschen e.V.
Schwalbenweg
61, 87439 Kempten (Allgäu)
Tel.
0831 - 59110 73
E-Mail:
info@autismus-schwaben.de